Lass uns heute Abend noch einmal draußen
sitzen, schlägt mein Mann vor. Es könnte der letzte schöne Sommerabend sein.
Also setzen wir uns auf den Balkon, um den vielleicht letzten schönen
Sommerabend zu genießen. Auf den Strommasten bereiten sich Vögelschwärme für
ihren Zug nach Süden vor. Wehmut beschleicht uns. Das könnte er wirklich sein,
der letzte schöne Sommerabend.
Dabei wollte ich ja gerade heute Abend
im Fernsehen eine interessante Doku sehen, denke ich. Schnell verscheuche
diesen profanen Gedanken. Fernsehen kann man ja immer. Und am PC meine E-Mails einsehen, sollte ich auch mal wieder. Ungeduldig rücke ich auf meinem Stuhl hin und her.
Na ja, kann ich später ja immer noch. Jetzt genießen wir lieber den vielleicht
letzten schönen Sommerabend. Die untergehende Sonne spiegelt sich in unseren
Rotweingläsern. Postkartenidylle.
Wie herrlich, seufzt meine bessere Hälfte, gestern Abend war es auch noch so schön. Stimmt, sage ich und mir fällt ein, dass es eigentlich die ganze Woche über so schön war. Erst
gestern saßen wir auf dem Balkon um den vielleicht letzten schönen Sommerabend zu nutzen.
Während sich drinnen in der Küche noch das Geschirr stapelte und ich auch gerne
etwas aufgeräumt hätte. Den Abend davor opferte ich dem vermeintlich letzten
schönen Sommerabend meinen Lieblingskrimi und den Abend davor legte ich aus
gleichem Grund mit mega-schlechtem Gewissen ein neu angefangenes Kapitel auf
Eis. Ungeduldig nippe ich an meinem Rotwein. Ich sollte heute Abend wirklich
unbedingt noch meine E-Mails checken. Und auch gleich beantworten. Auch mein
Mann sitzt nicht wirklich entspannt neben mir. Unruhig spielen seine Finger mit
dem Korken. Verstohlen sieht er auf die Uhr.
Es ist wirklich ein schöner Sommerabend, sage ich um unser Gespräch zu beleben.
Ja, aber im Moment beginnt gerade auf ARTE eine interessante Doku über Irland,
erwidert er und zwinkert mir zu. Aber wenn das heute wirklich der letzte schöne
Sommerabend ist, gebe ich zu bedenken. Dann kommen sicher noch viele schöne Herbstabende, sagt er, schnappt sein Weinglas und schaltet drinnen den Fernseher ein. Ohne zu zögern folge ich.
Einen letzten Blick werfe ich aber doch noch zurück, um den Sommer zu verabschieden. Sommer adé - ich bin bereit für den Herbst.